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15. Februar 2011 2 15 /02 /Februar /2011 10:55

Littleman war ebenfalls in einer Hauptschule untergebracht worden. Aber es war nicht irgendeine, sondern die damals modernste Schule im ganzen Land. Overheadprojektoren in jeder Klasse, Teppichböden, Sportanlage mit Fußballplatz und Tartanlaufbahn. Sogar Lautsprecher in den Räumen für wichtige Durchsagen der Direktion. Früher wurden Mitteilungen in ein Buch eingetragen welches von Schülern von einer Klasse in die nächste getragen wurde. Der jeweilige Lehrer trug dort die Nachrichten vor. Dieses Buch nannte man „Läufer“. Dies war nun nicht mehr nötig, ein Knopfdruck genügte, um unfolgsame Schüler in die Direktion zu zitieren. Soweit war alles bestens, das Schulgebäude befand sich allerdings in einer rauen Gegend. Um dorthin zu gelangen musste das berüchtigte Stadtviertel durchquert werden. Die erste Zeit war Littleman noch zu Fuß unterwegs, dadurch langsam in der Fortbewegung und somit Freiwild für im Konvolut auftretende boshafte Kinder. So war es eine Kunst den Hin- und Rückweg in einem Stück zu schaffen. Wie bereits in der Geschichte „Ohrschluch und Zwetschkenkrampus“ erwähnt, war sein Fundus an Schimpfwörtern sehr bescheiden. Es waren kaum zwei Wochen vergangen, als es auf dem Schulgelände zu einer Konfrontation mit einem anderen Schüler kam. In dem Alter ist die Grenze zwischen Kindsein und Jugendlichem noch sehr diffus, also beschloss man die Meinungsverschiedenheit mit den Fäusten auszutragen und zwar auf einem Kinderspielplatz. Nach dem Unterricht machte er sich zusammen mit seinem Bruder und dessen Mitschüler auf den Weg zum Ort der Kampfhandlung, wo sein Kontrahent schon auf ihn wartete. Dieser versuchte sich in psychologischer Kriegsführung und drohte ihm sämtliche Körperteile auszureißen. Auf ein Kommando hin begann die Schlacht, welche sich zu Beginn eher mit dem Erkunden der gegnerischen Stärke begnügte. Littleman war leidenschaftlich an Boxkämpfen interessiert, es war die Zeit der Kämpfe von Cassius Clay alias Muhammad Ali, Joe Frazier und George Forman. Er war bereit in deren Fußstapfen zu treten, hatte allerdings eine eigenartige Angewohnheit. Das Warten auf den ersten Treffer, welchen er erhalten würde. Diese extreme Spannung lähmte ihn nahezu. Doch diesmal war alles anders. Der Mitschüler seines Bruders rief im plötzlich zu „hau ihm eins in die Eier“. Ab diesem Zeitpunkt begann er in seinem Kopf intensiv  über das Thema Ei nachzudenken und was mit dieser Aufforderung gemeint wäre. Spontan fielen im Spiegelei, Eierspeise, Ostern, Eierkopf, etc. ein. Vielleicht handelte es sich ja um die Jause seines Gegners, hartgekochte Eier. Nie wäre er auf die Idee gekommen, es könnte sich um etwas Anatomisches handeln. Und während er noch tief mit dieser Sinnfrage beschäftigt war, wurde er jäh aus seinen Gedanken gerissen. Sein Gegenüber nutzte die künstlerische Pause und donnerte ihm die Faust auf seinen schon von Natur aus nicht zarten Riechkolben. Noch nie hatte Littleman diesen Moment bis zum „Einschlag“ in sein Gesicht so entspannt erlebt. Allerdings wäre es für den Rivalen besser gewesen nun das Weite zu suchen, denn durch diesen Schlag legte er unbeabsichtigt bei Littleman einen Schalter um. Die Verwandlung von Dr. Jekyll in Mr. Hide dauerte keine Sekunde. Er biss die Zähne fest zusammen, drängte den Gegner Richtung Kletterturm, wo es kein Entrinnen mehr gab. Der musste glauben einem Echo-Phänomen ausgesetzt zu sein. Für jeden Treffer den er Littleman verpasste, erhielt er mindestens drei zurück.Plötzlich schaffte der Widersacher es irgendwie seine Schultasche zu schnappen und das Weite zu suchen, nicht ohne Littleman von der Ferne mit ihm ebenfalls unbekannten Schimpfworten zu beglücken. Auf dem Nachhauseweg brachte er noch einmal die „Eiergeschichte“ auf’s Tapet, musste aber feststellen, dass sein Bruder genauso ahnungslos gewesen war wie er. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte, dass in den kommenden 4 Jahren über ihm das Füllhorn ausgeschüttet wurde, welches seinem Wortschatz in der Rubrik „Unflätige Ausdrucksweise“ zu einem Quantensprung verhalf. Nie mehr musste er danach seinen Bruder mangels geeigneter Ausdrücke im Zorn „Du Schwein, Du Schwein, Du doppeltes Schwein“ nennen. Und was es mit den Eiern auf sich hatte war ihm kurz darauf ebenso klar. 

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