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20. August 2013 2 20 /08 /August /2013 22:05

Die schönste Zeit des Jahres stand unmittelbar bevor. Jedenfalls empfanden die Kinder das so. Für deren Eltern hieß es sich in das Christkind zu verwandeln und die unverschämten Wunschlisten der Einkommenshöhe anzupassen. Alljährlich wuchsen geschmückte Christbäume wie von Geisterhand aus unzähligen Wohnzimmerböden, die bereits von zahlreichen liebevoll eingepackten Geschenken überschwemmt waren.

Zum Dank für diesen weihnachtlichen Marathon warteten auf die Eltern Präsente ihrer Sprösslinge, die entweder hässlich oder nutzlos, meist aber eine Kombination aus beidem waren. Diese Tradition sollte Littleman weiterführen, dafür musste in diesem Jahr seine Mutter daran glauben. Er fand einen Stapel Zeitschriften mit dem Titel „Selbst ist der Mann“, sozusagen die Bibel für die damals aufkommende Heimwerkerbewegung. Nach umfangreichem Studium der Literatur entschied er sich für etwas Praktisches, ein Tablett. Als Material benötigte er eine quadratische Spanplatte, 4 Holzleisten und ein Stück PVC-Belag. Die Leisten sollten auf die Platte geleimt werden und bildeten so die Umrandung. Die müssten anschließend an der Oberseite und den Ecken stark abgerundet werden. Zum Schluss stand in der Anleitung, den Kunststoffbelag auf die Größe der Tablettstellfläche zuschneiden und mittels Kontaktkleber darauf befestigen.

Das klang einfach und war schnell zu bewerkstelligen, fand Littleman. Außerdem hatte er noch 14 Tage bis zum Hl. Abend Zeit, Eile war daher nicht geboten. Schließlich zwei Tage vor Weihnachten nahm er die Bastelzeitschrift zur Hand und notierte die angegeben Materialien, sowie deren Maße. Als er beim Posten PVC-Belag angekommen war überlegte er kurz und fand, so etwas Billiges würde er sicher nicht verwenden, schließlich sollte es ein besonderes Geschenk sein. Also beschloss Littleman stattdessen ein gediegeneres Material einzusetzen und kaufte bei einem Fliesenhändler vier je 25x25 cm große Steinzeugplatten. Sie waren in Brauntönen gesprenkelt und glichen genau dem Kunststoffbelag aus der Vorlage. Er war glücklich, zwar hatte er den halben Tag damit verbracht sämtliche Utensilien zu besorgen, nun aber sollte nichts seinen Tatendrang mehr bremsen. Er sollte zuerst die 4 Leisten der Reihe nach an den angezeichneten Linien auf das Brett kleben und mittels Schraubzwingen fixieren. War es Übermüdung oder einfach nur seine Unfähigkeit, Littleman strich alle Teile mit dem Leim ein und platzierte sie auf der Platte. Beim Versuch die erste Leiste mit den Zwingen niederzudrücken, rutschten die restlichen drei vom Brett herunten und verteilten sich auf den Fingern, der Hose und zu guter Letzt auf dem Teppich, wo sie Dank des Leimes kleben blieben. Es dauerte bis 2:00 Uhr morgens bis er das Problem gelöst hatte. Noch 1 Tag bis Weihnachten.

Die Nacht war kurz er war aber fest entschlossen, sich gleich nach der Schule dem Tablett zu widmen. Er hatte die Rechnung ohne dem Österreichischen Rundfunk gemacht, der in dieser besinnlichen Zeit sämtliche Kinder mit einer schier überwältigenden Vielzahl an Filmen betäubte. Erst am Abend schaffte Littleman den Weg in sein Zimmer um mit einer Rolle Schmirgelpapier bewaffnet endlich mit dem Abrunden der Leiste zu beginnen. Gegen Mitternacht stellte er entsetzt fest, dass er mit der Arbeit kaum vorangekommen war. Dafür erlahmten seine Arme derart, dass es ihm weder gelang das Licht auszuschalten, noch seine Hose auszuziehen. Noch 0 Tage bis Weihnachten.

Sein Optimismus schien in der kalten Winterluft den Kältetod erlegen zu sein. Jetzt würde nur mehr rohe Gewalt helfen, im Werkzeugschrank fand er eine Raspel deren riesige Zähne gierig nach einem Stück Holz lechzten. Sofort begann er mit der Arbeit, Holzteile spritzten in den hintersten Winkel seines Zimmers, aber langsam nahm das Ganze Form an. Die Schleifarbeiten waren beendet, so dachte Littleman zumindest. Bei näherer Betrachtung sah die Tablettumrandung aus, als hätte sich ein psychopathischer Biber darüber hergemacht. Das Holz war von tiefen Furchen übersäht und langsam machte sich Panik breit. Hektisch versuchte er zu retten was zu retten war und schmirgelte um sein junges Leben, vergebens. Der Heilige Abend näherte sich mit Riesenschritten, Littleman griff nach den Fliesen und klebte sie eilig auf die Spanplatte.

Erst beim Verpacken fiel ihm auf, dieses Tablett war schwer, sehr schwer. Er verstand auf einmal warum ein PVC-Belag statt der Fliesen die bessere Lösung gewesen wäre. So wurde diese „schöne Bescherung“ diesmal ihrem Namen gerecht

Schon am darauffolgenden Morgen servierte seine Mutter keuchend das Frühstück auf ihrem neuen Tablett und hatte dabei Tränen in den Augen. Sie musste sich sehr über das Geschenk gefreut haben.

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