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19. November 2009 4 19 /11 /November /2009 15:44

Währendessen plagte sich „Littleman“ mit den R&B’s in Schreibschrift herum. Diese hatten nur bedingt mit Rhythm and Blues zu tun. Früher verprügelten Lehrpersonen noch die Schüler, heute ist es genau umgekehrt. Vielleicht stammt die Abkürzung R&B ja tatsächlich von der damals erlaubten Züchtigung. Schließlich wurden die Schläge im Takt verabreicht und die getroffenen Körperstellen färbten sich danach „blau“. Der „dumme Bub“ war einfach nicht in der Lage die Buchstaben korrekt zu schreiben und die Eltern fanden, dass dieses „Adoptivdings“ nur wenige Aussichten in der Zukunft haben würde. Eigentlich gäbe es für ihn später nur eine Möglichkeit sich auch ohne Ausbildung irgendwo nützlich zu machen. Sie wählten deshalb eine traditionelle und geschichtsträchtige Beschäftigung, die untrennbar mit dem Alpenraum verbunden ist, jene als Dorftrottel. Umso größer mag die Enttäuschung seiner Erziehungsberechtigten gewesen sein überall nur abschlägige Antworten erhalten zu haben. In der Heimatstadt argumentierte der Bürgermeister man wäre kein Dorf, in den Dörfern hingegen begründeten die Ortsleiter ihre Ablehnung mit der Feststellung er wäre einfach zu dumm für einen Dorftrottel. 40 Jahre später versuchte er nochmals seiner Berufung nachzugehen, doch er wurde in jedem noch so kleinen Weiler nach einem Maturazeugnis gefragt. Jetzt erst verstand er den Spruch „heute hat doch jeder Trottel eine Matura“. Aber zurück zum dummen Buben. Die Eltern waren verzweifelt, und sahen die Musik als letzte Rettung für „Littelman“, am besten in einer Musikkapelle, ebenfalls eine traditionelle und geschichtsträchtige Institution. Um etwas vorzugreifen, er wurde natürlich nicht aufgenommen, kein Wunder nach diesem überlieferten Dialog zwischen Kapellmeister und Knaben:

„Also, welches Instrument willst du denn spielen?“

„Die Blockflöte“

„Sehr schön und zu welcher Gruppe wird denn die Blockflöte gezählt?“

„Zu den Schlaginstrumenten“

Der Kapellmeister öffnete die Tür, gab ihm einen kräftigen Tritt in sein Sitzteil und schrie „zum Trommelziehen können wir dich auch nicht gebrauchen, wir haben schon einen Esel“. Der Hüter des Taktstocks konnte natürlich nicht ahnen, wie dieser Zusammenhang Flöte / Schlaginstrument überhaupt entstanden war. Der älteste Bruder versuchte sich bereits seit Jahren an diesem Instrument. Doch zum Missfallen seiner Eltern setzte er die Probenzeit immer just in den Momenten an, wenn das Nervenkostüm der Eltern schon Auflösungstendenzen zeigte. Ich glaube kein Geräusch auf der Welt kann binnen kürzester Zeit ein höheres Agressionspotential erzeugen, als jenes, das von einem flöteübenden Kind ausgeht. Darum war es wenig verwunderlich, dass ein Elternteil gelegentlich das Holzblasinstrument dem Übenden - zum Beenden des jammervollen Gedudels - einfach auf den Kopf schlug. Nachdem auch der Ausflug in die Musik erfolglos war, änderte sich plötzlich etwas bei dem hoffnungslosen Kind. Es schien als ob sich die Kurzsichtigkeit im Handeln auf einmal auf seine Augen übertragen hatte, er benötigte nämlich eine Brille. Diese verhalf im endlich zum nötigen Durchblick. Nicht dass er damit nur einen Funken mehr Verstand besessen hätte, aber irgendwie vermittelten die Augengläser eine Form von Intelligenz, zumindest so lange er den Mund geschlossen hielt. Die Eltern erblickten erstmals ein Licht am Ende des „Dummen“.

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